"spitze" Ecken leicht genäht



Bevor ich zum eigentlichen Thema des heutigen Nähtalks komme, möchte ich einfach noch mal etwas ganz anderes ansprechen, was mir sehr am Herzen liegt.

Vor zwei Tagen habe ich hier auf meinem blog und auf einigen Seiten verstreut im social media "mein" Kleid gezeigt und hier im blog auch etwas zur Entstehungsgeschichte geschrieben und warum ich mich für bestimmte Details entschieden habe.
Dass meine genähten Sachen nicht jedermann gefallen (müssen), den Anspruch habe ich in keinster Weise.
Natürlich freue ich mich, wenn ich für das Genähte Komplimente bekomme und ich gehe mal davon aus, dass es so den meisten geht, die ihre Nähwerke präsentieren.

Nun drückten einige ihr  negatives Geschmacksempfinden über ein Detail am Kleid aus. Dagegen ist gar nichts einzuwenden. Klar, lässt sich darüber diskutieren, ob ein entsprechender Kommentar unbedingt abzugeben ist, wenn derjenige der postet nicht danach fragt. Aber ich weiß, viele sehen sich veranlasst ihre offene und ehrliche Meinung dazu zu schreiben, da etwas ja gepostet wurde.

Diese offene und ehrliche Meinung dann aber als Kritik darzustellen, hmmmm.... das ist wiederum ein anderer Punkt.
Kritik heisst nämlich, dass derjenige eine objektive Beurteilung anhand von bestimmten Bewertungsmerkmalen abgibt, nicht aber sein subjektives Geschmacksempfinden ausdrückt! 

Was ich schade finde, dass dieses Ausdrücken dann anhand von wenigen Bildern erfolgt, ohne dass ein möglicherweise dazugehöriger Text gelesen wird. Ich vergleiche das einfach mal mit einem Bild. Wir sehen dieses und bewerten das oft aufgrund des ersten Eindrucks für schön oder eben nicht schön. Ein Künstler hat aber oft eine Geschichte/ Hintergrund zum Bild dabei. Mal ehrlich, ... wer liest diese und betrachtet das Bild dann möglicherweise mit diesem Wissen?! 
Eigentlich schade, dass wir uns doch seltens die Mühe machen, uns näher damit auseinandersetzen und dann eine doch recht oberflächliche und "auf den 1. Blick" Bewertung abgeben, oder?
Aber gut, in der schnelllebigen Zeit, ist es vielleicht einfach so. 

Die Reaktionen haben mich nicht traurig gestimmt, eher im Gegenteil. Ein Kleidungsstück, dass dazu führt, in Diskussion zu kommen ist letztendlich das, was sich jemand der Kleidung selber designt und/ oder näht, sich nur wünschen kann. Drückt es doch damit ganz klar die Individualität aus und grenzt sich von der Masse ab.
Bekannte Modeschöpfer wären sicherlich nie soweit gekommen, wenn sie sich an der Masse orientiert hätten un "nur" Basics designt hätten.

ABER... was mich wirklich sehr, sehr traurig gemacht hat, waren Nachrichten, die mir direkt geschrieben worden sind, von Frauen, die gesagt haben, dass sie einfach nichts mehr posten wollen, weil sie Angst haben, vor negativen Reaktionen. 
Leute, was ist denn da in der Nähszene mal wieder los?! Seit mehr als 30 Jahren bin ich nun im Näh- und Modebereich aktiv und scheinbar wiederholen sich solche Auf und Ab´s in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen.
Da geht es darum, dass Andere darüber urteilen, ob der verwendete Stoff für das Alter passend ist, das Kleidungsstück möglicherweise bei der Figur angeblich nicht tragbar sei. 
Warum fallen solche Kommentare, wenn derjenige der postet nicht wirklich danach fragt? Nur weil jemand etwas mit Stolz postet, soll es ein Freifahrtschein für die Anderen sein, demjenigen offen und ehrlich ihr Empfinden äußern zu müssen. Ist denjenigen eigentlich klar, wie verletzend es beim Anderen ankommen kann und dieser sich möglicherweise zurückzieht?

Die meisten von uns sagen, dass "Nähen verbindet" und so soll es doch sein! 
Bitte lasst uns doch daher wieder dazu übergehen, uns konstruktiv zu äußern und nicht einfach nur mit dem persönlichen Geschmacksempfinden zu kommentieren. 

So, damit bin ich mit  meinem  Wort zum Sonntag durch und komme nun endlich mal zum wirklichen Thema des Nähtalks.

Ich möchte euch heute zeigen, wir ihr z.Bsp. an Kragen oder aufgesetzten Taschen ganz wunderbare schöne spitze Ecken nähen könnt.

Schneidet euch einen etwas längeren Nähfaden ab, den ihr erst einmal zur Seite legt. Auf der linken Stoffseite eures Projektes markiert ihr euch die Nahtzugabe (diese ist besonders für die Ecken wichtig)

Uns schon kann es losgehen!

Wählt euren  Geradstich (hier Länge 2,5) aus 

näht mit diesem (oder einem 3-fach Stretchstich) und endet ca.1 - 2 cm vor der  ersten Ecke


 Verringert nun die Stichlänge auf etwa 1,5 oder 1

näht weiter genau bis zum Eckpunkt, wo ihr die Nadel dann im Stoff stehen lasst!



Die Nadel bleibt im Stoff und ihr hebt den Nähfuß und dreht nun den Stoff so zu euch, dass ihr entlang der nächsten Stoffkante weiter nähen könnt.
Jetzt holt ihr euch den vorher abgeschnitten Nähfaden und führt das eine Ende zwischen die beiden Stofflagen nach oben hier zur Öffnung durch. Achtet darauf, dass der Faden entlang der  Nadel geführt wird und diese berührt! 


Hier könnt ihr sehen, dass das eine Fadenende an der offenen Stoffseite rauskommt und das andere Fadenende noch links von der Nadel liegt. Jetzt näht ihr über den links liegenden Faden 1 max 2 kurze Stiche.


Die Nadel sollte dann wieder im Stoff stehen bleiben und das Fadenende was zuvor noch rechts von der Nadel lag, führt ihr nun ebenfalls zwischen die beiden Stofflagen, genau entlang der Nähnadel nach oben hin zum anderen Fadenende durch. Zwischen den Stofflagen habt ihr jetzt eine ganz kleine Schlaufe. 


Über diese Schlaufe näht ihr einfach drüber, verlängert nach 1-2 cm die Stichlänge wieder auf 2,5 und näht bis zum Ende weiter.




Jetzt schneidet ihr die Nahtzugabe zurück und auch die Ecke. Bevor ihr die Eckenkante zurückschneidet, zieht sicherheitshalber noch mal an den heraushängenden Fadenenden, damit ihr diese nicht noch durchschneidet.


Das genähte Teil könnt ihr nun wenden und die beiden Fadenenden zeigen sich jetzt auch. An diesen dürft ihr nun gleichzeitig nach außen hin ziehen. 


Nur durch das Ziehen des Faden zeigt sich bereits ohne Bügeln eine schöne Ecke. Im Beispiel hier habe ich den Faden nach 2 Stichen eigenäht. Noch schöner wird die Ecke, wenn ihr wirklich bereits nach einem Stich über den Faden näht.



Jetzt noch über die Stoffkanten und Ecke gebügelt et voilá ... ihr habt eine schöne Ecke -



Das war es dann auch schon wieder mit dem heutigen Nähtalk. Ich hoffe, ihr seid mir nicht böse über das heutige längere Vorwort. Wenn sich aber dadurch möglicherweise nur eine Person wieder ein Herz fast, etwas von ihrem Nähwerk zu posten und ein anderer eventuell überlegt, ob und was er kommentiert, dann ist das etwas, was mich total freuen würde.
In diesem Sinne ... geniesst den 2. Advent und bis bald!












Kommentare

Chrissie hat gesagt…
Liebe Tina

Danke für Deinen Beitrag und auch das Vorwort. Ich denke, dass dies hauptsächlich ein Problem des deutschsprachigen Raums ist, wie auch schon einmal jemand vor mit erwähnt hat.
In englischsprachigen Gruppen wird jedem Mut zugesprochen und Motivation. Man lobt die Werke oder unterlässt einen Kommentar wenn einem das Genähte nicht zusagt.
Andererseits war es doch schon immer so, dass man sich halt ein dickes Fell zulegen muss, wenn man eigene Werke, genauer gesagt die eigene Person öffentlich darstellt. Das geht doch Politikern genau so ;-).

In diesem Sinne weiterhin viel Freude am Werken und viele schöne aufmunternde Begegnungen im Neuen Jahr.

Liebe Grüsse

Chrissie

PS. Dass sich jeder den geposteten Text neben einem Kleidungsstück genau durchliest, das kann man nicht verlangen. Das funktioniert schon nicht bei ganz simplen Anleitungen. :-) Lesen ist und bleibt eine Kunst.
Erna Meine hat gesagt…
Hallo Tina,

was hältst du von der Variante für saubere Ecken, den einen Stich genau in der Ecke quer zu setzen? Die Britta vom Blabla Cafe hat diesen Tipp gegeben!

LG Verena